Vita
Paetrick Schmidt lebt und arbeitet in Berlin und Wismar
Ausbildung
- Abschluss als Diplom Designer bei Prof. A.Voss und Prof. W.D.Pfennig - 2008
- Universität der Künste Berlin, Fachklasse Illustration, Prof. H.Wagenbreth - Gastsemester 2007
- Hochschule für Grafik und Buchkunst Leipzig, Fachklasse Illustration, Prof. Th.M.Müller - Gastsemester 2006
Referenzen
MAGAZINE:
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AGENTUREN:
Anzinger Wünschner Rasp | Burda | Dark Horse Innovation | Grabarz & Partner | Jung von Matt | MetaDesign | Ogilvy | Racken | Random House | Serviceplan
MARKEN:
Aktion Mensch | BRILLUX | DHL | Hornbach Baumärkte | Jägermeister | Schönklinik | ProsiebenSat1
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Aktion Mensch | BRILLUX | DHL | Hornbach Baumärkte | Jägermeister | Schönklinik | ProsiebenSat1
Einzelausstellungen
- „Painted Songs“ Einladen Rostock - 2019
- „Painted Songs“ Vétomat Berlin - 2018
- „Hurra ab jetzt geht es bergab“ Evangelische Akademie Rostock - 2018/19
- „Everything is almost perfect“ Blue Goat Gallery Berlin - 2018
- „Blekinges Pärla“ Kulturcentrum Ronneby, Schweden - 2014
- „Adrenochrom!“ Kunstverein Rostock - 2013
- Ausstellung zum Förderpreis des Kunstvereins Schwerin - 2011
- Golden Pudel Club Hamburg - 2011
- „Dirt Brush Club“ A.G. Galerie Schwerin - 2010
- „Phantom Rooms“ Kunstverein Ahaus - 2010
- Open Studio im Virginia Center for Creative Arts, USA - 2009
Gruppenausstellungen - „Augentröster“ Blue Goat Gallery Berlin - 2020
- „Die Kleider sind alt und älter der Kaiser“ Kulturhaus Mestlin - 2020
- „Wenn die Waagschale zum Katapult wird“ Goldwerk Galerie Rostock - 2020
- „1000 Augen“ Aktuelle Fotoarbeiten aus Mecklenburg Vorpommern 2020
- „Baltic Art Weekend“ Kunsthalle Rostock - 2019
- „Süpermarket“ Saarbrücken - 2018
- „Dialoge“ Galerie 17 Rostock - 2017
- „illustrade #2 Rostock“ - 2017
- „Ressource Kunst“ Mecklenburgisches Künstlerhaus Schloss Plüschow - 2017
- „Florian Merkel und Paetrick Schmidt“ im Neuen Kunsthaus Ahrenshoop - 2016
- „Hier und Jetzt“ Mecklenburgisches Künstlerhaus Schloss Plüschow - 2016
- „Visionen“ Kreismuseum Ratzeburg - 2016
- „Tankhalle“ Kunstraum Schloss Wiepersdorf - 2016
- „illustrade Rostock“ - 2015
- „25 Jahre Schloss Plüschow“ - 2015
- „Paradiese“ Galerie Genscher Hamburg - 2014
- „Eigenwilligkeit“ Museum Junge Kunst Frankfurt/Oder - 2013
- „Fokus Junge Kunst“ Kunsthalle Rostock - 2012
- „Art Rainbow“ Kyoto City International Foundation Japan - 2012
- „Telling the Baltic“ Blekinge Museum, Karlskrona/Schweden und CCA Laznia, Gdansk/Polen - 2012
- „NORDNORDOST – Neue Malerei aus Norddeutschland“ Stadtgalerie Kiel - 2011
- „Land in Sicht“ Ausstellung der Ankäufe des Landes MV, Schloss Güstrow - 2011
- „Jeder Tag ist eine Reise“ Mecklenburgisches Künstlerhaus Schloss Plüschow - 2010
Sammlungen - Kunstsammlung des Landes Mecklenburg-Vorpommern
- Kunstsammlung der Landeshauptstadt Kiel/Schleswig Holstein
- Kunstsammlung der Ostdeutschen Sparkassenstiftung
- Kunstsammlung des Museums Junge Kunst Frankfurt/Oder
- Kunstsammlung der Landeshauptstadt Saarbrücken/Saarland
Stipendien - Aufenthaltsstipendium für das Künstlerhaus Schloss Plüschow - 2017
- Aufenthaltsstipendium für das Künstlerhaus Schloss Wiepersdorf - 2016
- Aufenthaltsstipendium im Oberpfälzer Künstlerhaus Schwandorf - 2016
- Aufenthaltsstipendium für das Künstlerhaus CAMAC in Marnay sur Seine, Frankreich - 2014
- Reisestipendium der Deutsch-Japanischen Gesellschaft Rostock für das JARFO in Kyoto, Japan - 2012
- Aufenthaltsstipendium für das Virginia Center for Creative Arts, Virginia/USA - 2009
Texte
Susanne Burmester Im Katalog „Hier und Jetzt“; 2016
Im Werk Paetrick Schmidts sind die Grenzen zwischen angewandter und freier Kunst fließend. Damit steht er nicht alleine da. Denn spätestens seit Takeshi Murakami (*1962), der seine künstlerische Tätigkeit auch auf Entwürfe für Handtaschen ausgeweitet und ein eigenes Unternehmen zur Vermarktung von Kunst und Merchandisingartikeln gegründet hat, ist der Weg für diese Form des Künstlertums frei. Schmidts Studium an der Hochschule Wismar mag dazu beigetragen haben, ihn zu einem unabhängigen Handeln an der Schnittstelle von Kunst und Design zu ermutigen. Auch wenn die Gralshüter noch böse mit dem Zeigefinger drohen - die Aufhebung der Grenzen ist nicht mehr aufzuhalten und Paetrick Schmidt aus Wismar ist ein Vorreiter dazu. Seine künstlerische Tätigkeit ist äußerst vielseitig. Neben Grafikdesign, Illustrationen und typographischen Projekten, entstehen Bilder, Zeichnungen, Skulpturen und Aktionen im öffentlichen Raum. Seine eigenwillige Bildsprache ist wiedererkennbar und arbeitet mit Bildpersonal, das an den Kanon der klassischen Comics erinnern: der Cowboy, der Superheld, die üppige Frau. Dabei setzt er gerne die vordergründig biedere Ästhetik des HB-Männchens ein, der in diesen Arbeiten hingegen gerne mal übel vor die Wand läuft. Auch die Verknüpfung von Text und Bild, die in allen Werkgruppen vorkommt, verbindet seine Arbeit mit der des Comics. Paetrick Schmidts großes Thema ist die Absurdität der Alltagswirklichkeit. Dabei macht sein analytischer Witz auch vor dem eigenen Selbst nicht Halt und ergreift gerne Partei für Fragen, die seiner Meinung nach gesellschaftlich und politisch falsch beantwortet werden. Von der Umweltzerstörung über Aktivitäten von Neonazis, wirtschaftliche Ausbeutung und die Konsumkultur bis zu Beziehungskisten und dem Status des Künstlers reicht sein Repertoire. „Peinlichkeit kennt keine Grenzen“ - dieser Bildtitel eines Werks von Martin Kippenberger aus dem Jahre 1986 könnten auch über vielen seiner Werke stehen, denn sein Bildwitz reicht von der subtilen Beobachtung über den Kalauer bis zur groben Albernheit. Dabei ist der Witz stets auch ein Akt des Widerstands, funktioniert jedoch immer ohne Fingerzeig. Zu seinen Bildideen gehören postmoderne Jagdszenen, in denen Ladies mit Schrotflinte einem Mann „mit Vogel“ den Kopf wegblasen wollen oder Laubgebläse, die zur Pump Gun werden. Seine böse Spielzeugkollektion inklusive Verpackung und fertig zum Verkauf, hat er vollständig aus bemaltem Karton gebaut. Dazu gehört die „Halberstadt Sensation“, eine Jahrmarktsbude, die als "nazi wheel of fortune" daherkommt und ein Bürosetting inklusive dunkelhäutigem Asylbewerber: „Entscheide über das Schicksal eines Asylbewerbers in der BRD“. Zudem hat der Künstler ein entspanntes Verhältnis zu Original und Kopie und zeigt sich damit als aufmerksamer Zeitgenosse. Denn tatsächlich fällt es heute schwer, die Aura des Originals aufrechtzuerhalten, wo alle Bilder jederzeit digital verfügbar sind. Schmidt zitiert sich gerne selber und benutzt Versatzstücke seines Werks immer wieder. In seinem Beitrag „Storm Around the Baltic“ zur Gruppenausstellung „Telling the Baltic“ (2012, Blekinge Museum Karlskrona, Schweden und LCC Gdansk, Polen) macht er sich über diesen Originalitätsmythos lustig und zeigt eine Gruppe von neun identisch im Wind gebeugten Leuchttürmen: „Egal wo Du bist, ein baltischer Sturm bleibt ein baltischer Sturm …“ Mit seinen Selbstporträts gelingt Paetrick Schmidt eine Zusammenführung der unterschiedlichen Medien seines Werks. Diese arbeiten an der Schnittstelle von Malerei, Bildhauerei und Performance. Für die Fotografien setzt Schmidt gezeichnete Requisiten oder sogar eigene Werke ein. Der Künstler tritt meistens alleine auf, manchmal mit einem Partner. Dabei geht es ihm um die selbstironische Untersuchung, eine subversive Neubewertung digital vermittelter Botschaften oder ein Spiel mit der Kunstgeschichte. In der Geschichte seit der Renaissance waren Selbstporträts immer auch Auseinandersetzungen mit dem künstlerischen Selbstverständnis und mit der Identität. Dazu sind die Künstler auch früher schon in Rollen geschlüpft. Albrecht Dürer tritt als Christus auf, Rembrandt als Held der Geschichte und Max Beckmann als Gauner, Odysseus oder Zirkusdirektor. Identität - dieser Begriff ist seit den 1970er Jahren obsolet geworden. Heute wissen wir, dass das Selbst eine Konstruktion ist. Ja mehr noch, dass dieses erst aus der Erfahrung der "Nicht-Identität" entsteht. Sozialpsychologen gehen so weit zu behaupten, dass wir unser Ich modellhaft selber entwerfen und auf diese Weise zu Individuen werden. Paetrick Schmidts Selbstporträts karikieren auch den Selfie-Wahn und die Selbstdarstellungsmechanismen der sozialen Medien. Dort ist die Selbstinszenierung zu einem „Massenphänomen der Beeindruckungskultur“ geworden, wie Martina Weinhart, Kuratorin der Ausstellung „ICH“ in der Frankfurter Kunsthalle Schirn, 2016, formuliert. „Die Künstlerinnen und Künstler treten dem entgegen und haben unorthodoxe, spielerische und humorvolle Strategien entwickelt, um die Allgegenwart und die Überkodierung des menschlichen Abbilds in unserer Mediengesellschaft zu hinterfragen.“
Armin Hauer im Katalog zur Ausstellung „Eigenwilligkeit“ Brandenburgisches Landesmuseum für Moderne Kunst Frankfurt/Oder; 2013
Die Attacken der Zeichenwelt
Irgendwo im Zwischenreich der Comic-, Film- und Werbewelten bewegen sich seine Gestalten. Sie sind ganz dem Zeitgeist der Postmoderne verpflichtet, schick oder prollig gekleidet stehen sie herum, verhalten sich cool und hinterlistig, witzig und gewalttätig. Sie bringen uns die Misere der Gerechtigkeit und der Ungerechtigkeit des globalen Dorfes vor Augen, indem sie auf der Bühne agieren, in Kunstzitatbildern sich tummeln, in schönen oder tristen Räumen leben. Sie alle scheint man von irgendwoher zu kennen: aus den Cartoonbeilagen der Zeitschriften, von den Flyern für Groß- und Kleinevents, vielleicht sogar aus den Kinderbüchern oder von der Plakatwand an der Straßenecke. Doch dann, nach genauerem Hinsehen, fallen die Szenerien aus dem geradlinigen Zusammenhang einer eindeutigen Botschaft heraus. Unstimmigkeiten ergeben sich, Risse in der heilen Welt der Werbebotschaften und der Kindererklärungsbilder machen sich breit. Etwas Unheimliches, nicht zu Kalkulierende springt uns an, indem die Katastrophen der Zivilisation, getarnt im Outfit der Unterhaltung, vor uns erscheinen. Privates und Öffentliches geraten ineinander, das Kleine trifft auf das Große, das Gute auf das Böse, das Ernste auf das Heitere, das Feine auf das Ordinäre, das Exotische auf das Biedere, das Außerirdische auf das Heimische, das Terroristische auf das Humane. Paetrick Schmidt zeichnet, bastelt und filmt dabei keine mythenträchtigen teutonischen Weltbilder - oder gar Historienbilder, wie einige Vertreter der sogenannten Leipziger Schule, eher sind es die aus den Fugen geratenen Traum- und Alptraumwelten, die oftmals mit Sprüchen garniert die Tatsächlichkeiten unserer Lebensweise versinnbildlichen. Mal auf Englisch oder im guten deutschen Rapsongsound: „MIT BOMBEN BELADEN ENTSCHWANDEN DIE KANONENBOOTE UND KEHRTEN HEIM, VOLL BEPACKT MIT ANANAS“ - wird das Prinzip des Welthandels vorgeführt, politisch Unkorrektes gezeigt, das Zusammenleben zwischen Mann und Frauen belauscht, die Jagd nach dem kleinen Glück kommentiert oder die ewige Lust auf Sex - virtuell, visuell, manuell, körperlich - inszeniert. Voll paradoxer Logik, Bildwitz und Ironie entfaltet er einen Bilderkosmos, der Kurzweil bietet und zudem für tieferes Denken gleichermaßen zur Verfügung steht. Seine Stilistik kommt farbig brillant, souverän gezeichnet und collagiert daher. Er ist fantasievoller als James Rizzi und bissiger als Jim Avignon.Die aus Pappe oder Papier ausgeschnittenen Personen, Tiere, Gerätschaften und Naturrelikte werden auf der Weltbildfläche hin- und herbewegt, bis sich die Konstellationen des Aberwitzigen und des bitterbös Realen zusammenfinden. Einige Arrangements verharren in diesem Stadium des Suchens oft für längere Zeit , bis sie zu einer endgültigen Geschichte gefunden haben. Diese Situation erinnert sowohl an Filmsets als auch an den handwerklichen Rahmen von Trickfilmanimationen. Das Geschehen könnte nun diese oder jene Richtung einschlagen - alles scheint möglich zu sein. Da liegt es in der Natur des Situativen, dass er daraus Kurzfilme dreht, in denen wiederum seine Gestalten wandern, marschieren, fliegen und taumeln, um vielleicht pointiert den Ball der unterhaltsamen Selbsterkenntnis uns zuzuspielen. Denn genau dieser Aspekt des vor uns ablaufenden Lebensspiels, früher war es mal in der Kunst das von archaischen Kräften angetriebene Welttheater, scheint sein ihn motivierendes Grundmotiv zu sein. Denn die Welt, ihre Funktionsweise existiert nur in diesem Moment wirklich, wenn man ihr eine Bühne, Personal und Handlungen gibt und modellhaft Beziehungen zueinander arrangiert. Da kommt der Moment des Sinnhaften in das Reich des Chaos hinein. Natürlich, in der verträglichen Form maskiert, als etwas uns Vertrautes und als etwas, das dermaßen stimmig ist, so dass es schon wieder ins Absurde, daher Annehmbare gleitet. Dafür nutzt er bewusst oder unbewusst die medialen Strategien, die in ihren Strukturen den Fernsehnachrichten, Soaps und nachmittäglichen TV-Freakshows der privaten Sender ähneln. Besonders augenscheinlich ist es in seinen „CARDBOARD TOYS“ zu erleben. Das sind einfache Pappkartons, die uns im Stile von Spielzeugverpackungen den Ernst des Lebens („RÖHMZWILLlNGE“, „BESUCH BEIM VATER“, „RAIN FOREST ROLLER“) spüren lassen und unserer Neugier, manchmal ebenso unserer Häme und unserem Mitgefühl Nahrung geben. Die fast kindliche Freude am Aufdecken von wahren Zusammenhängen, an der wahnwitzigen Konstruktion von sozialen Kausalitäten und verschwörerischen Seelen- und Körperkräften, lässt seinen fabulierenden Spieltrieb unmittelbar auf den des Betrachters überspringen. Dieser sollte aber ein kulturelles Vorwissen parat haben, sich in der Gegenwartskunst auskennen und das Bildungsniveau eines Internet-Users mitbringen, um Andeutungen oder kulturellen Kreuz- und Querverweisen sehend, im günstigsten Fall sogar nachdenkend folgen zu können.
Ulrich Ptak im Katalog „Paetrick Schmidt“ Kunsthalle Rostock; 2012
Die Welt ist eine Collage
Paetrick Schmidt hat eine kindliche Freude an Überraschungen. Nicht nur, dass er sich gerne selbst überrascht. Auch anderen, Zuhörern und Gästen schenkt er mit Vergnügen etwas Besonderes. Ich wurde mit einer geschleuderten Frisbeescheibe empfangen und dann in eine eigens für diesen Tag arrangierte Ausstellung geführt. Schmidt hat Spaß an der Inszenierung. Seine Kunst zelebriert lebendiges Theater. Schmidt ist ein Regisseur von Anspielungen und Seitenhieben, mitunter auch bösartigen. Das Personal ist grimmig, hinterlistig, diebisch, naiv und erstaunt, unbeteiligt oder schadenfroh. Als Staffage dienen großflächige Wohnungen und der Wald, überhaupt Bäume und Vögel. Das Böse im Grotesken. König Ubu von Jarry fiel mir ein, das von Dada und den Surrealisten so gefeiert wurde. Paetrick Schmidt hat zunächst Kommunikationsdesign studiert; er arbeitet heute auch in diesem Fach, ist gut beschäftigt. Die Zeitungsmacher mögen die Unbefangenheit und das Handgemachte. Sein Repertoire hat sich der Künstler allerdings in den freien Arbeiten technisch und thematisch erspielt. Das freie Arbeiten sei seine Laborsituation, hier könne er sich ein Fantasieuniversum schaffen, sagt Schmidt. Im Grunde genommen ist Schmidts Kunst eine große Collage, gedanklich wie in der Umsetzung. Das Ausschneiden und Zusammensetzen in Bastelbögen: eine Kindheitserinnerung. Copy and paste haben es mühelos ersetzt. Um so erfrischender, dass Schmidt wieder einfache Materialien benutzt, um sie Handmade, bastelnd, wie er sagt, zusammenzufügen. Im Atelier befinden sich kistenweise ausgeschnittene Figuren, die sich später in verschiedenen Szenarien und in bestimmten, gesetzten Rollen wiederfinden. Neuerdings verwendet der Künstler diese Figuren auch als Stempel; da gehen die Arbeiten dann mehr zum Ornamentalen hin, das ist durchaus ein weiterer Schritt, der den erzählerischen Überschwang in der Waage hält. Unübersehbar laboriert Paetrick Schmidt gern mit Begriffen, um sie erklärend oder auch zum Zwecke der Irritation einzusetzen. Das funktioniert vor allem auch grafisch sehr gut. Auffällig ist die häufige Verwendung der Farbe Violett, die im All tag ja kaum vorkommt und Mystik in das Geschehen bringt. Schmidt ist kein Moralist, selbst in sozialkritischen Beiträgen (Rain Forest Roller) überwiegt der Spaß am schwarzen Humor, nicht der Anspruch des erhobenen Zeigefingers. Das gilt auch für die Zeichnungen, die mir in Gestik und Strich eine mehr oder weniger bewußte Adaption von Hoffmanns Struwwelpeter erscheinen, dessen Geschichten wohl das Unterbewusstsein von Generationen geprägt haben. Paetrick Schmidt wechselt beständig zwischen den Formen seiner Arbeit, dem objekthaften Dreidimensionalen, dem Montieren von Dingen, dem Collagieren, der Arbeit mit dem Rechner und dem reinen Zeichnen. Er bewegt sich aus (immer wieder kolportierter) kindlicher Sicht sozusagen zwischen Playmobil und Struwwelpeter. Und zwischen Playstation und Facebook. Neulich forderte Schmidt seine 500 Facebook-Freunde auf, an einer Tombola teilzunehmen. Eine neue Sintflut würde hereinbrechen. Allerdings, nur die Gewinner könnten auf seiner Arche überleben. Paetrick Schmidt verwendet und vernetzt mühelos alle heutigen Kommunikations- und Rezeptionsarten um dem alltäglichen Wahnsinn spielerisch zu begegnen.
Marie Cathleen Haff im Katalog „Paetrick Schmidt“, Kunstverein Schwerin; 2011
Paetrick Schmidt arbeitet vor allem auf und mit Papier. Er bedient sich bemalter Pappkartone oder eingefärbter und ausgeschnittener Papierelemente. Beispielsweise klebt er auf malerisch angelegte Untergründe Figuren und Objekte so, dass großflächige dreidimensionale Bildweiten entstehen. Vereinfacht dargestellte Einzelelemente wirken in der komplexen Bildkomposition, mehrdimensional, was einerseits durch grelle Farbkontraste, andererseits durch die malerische Gestaltung eines Bildhorizonts erreicht wird. Gelegentlich setzt er typographische Elemente ein. In seiner Serie „Cardboard Toys“ baut Schmidt aus Kartonelementen Schaukästen. Die Boxen tragen Titel wie „Asylantrag“ oder „Semi Professional Porn Production“ und zeigen an, woraus der Künstler seine Themen ableitet. Es ist die ihn umgebende Lebens-, Bild- und Medienwelt. Schmidt betrachtet sie mit analysierend, humorvollem, zumeist fasziniertem Blick. Der Betrachter wird zum Zeugen einer Bildwelt, die den scharf beobachteten Alltag und die Fantasie des Künstlers zu einer höchst anregenden Mischung bindet. Mit Bildern wie „Umbrella Soldiers“ scheut sich der Künstler nicht, politische Inhalte aufzugreifen. Er findet auch dafür eine unverwechselbar empathische Sprache, die ihn selbst und den Betrachter dazu zwingt, über Mehrdeutigkeit und Doppelbödigkeit eines unentwirrbaren Weltkosmos nachzudenken. Niemals belehrt Schmidt, er konstatiert und leitet voller Liebe gegenüber dem Menschen als „Homo ludens“ sein Bild ab. Schmidt erzählt universell anmutende Geschichten junger Leute, die zwischen und in verschiedenen Welten zu Hause sind: Die reale, die virtuelle, die sexuelle und nicht zuletzt die Fantasiewelt bestimmen Schmidts außergewöhnlich freie Arbeiten. Paetrick Schmidt nimmt sich digitale, soziale Netzwerke vor und nutzt sie über den üblichen Sinn hinaus. Er überführt sie in die analoge Welt aus gebastelten und gezeichneten Objekten, die dann wiederum über digitale Wege zum Kommunikationsobjekt werden. Seine "FacebookTombola" ist hierfür ein Beispiel. Wenngleich der Künstler noch am Beginn seines Schaffens steht, konnte er bereits eine unbeirrt eigene Ästhetik entwickeln. Mit großer Kenntnis historischer und kunsthistorischer Hintergründe jongliert Paetrick Schmidt seine Bildelemente ganz und gar neuartig. Er baut Fantasiewelten, die die Betrachter ergründen und an der sie teilhaben möchten.
Wolfgang Zeigerer im Katalog „Paetrick Schmidt“, Kunstverein Schwerin; 2011
Sommer 2010: Abendlicher Besuch am Tag der Kunst in Mecklenburg-Vorpommern im Staatlichen Museum in Schwerin. Gleich hin zu meinem Lieblingsobjekt in der ständigen Sammlung: kinetisches Objekt von Gerhard von Graevenitz. Dort, ganz in der Nähe, auf einen schmalen Sockel platziert, ein Pappkarton, bemalt und beschriftet, also kein Graevenitz-Objekt. Näher herangetreten, lese ich: „WARNING YOU ARE ABOUT TO LOOK INTO AN 18+ AREA.“ Jetzt neugierig die kleine schwarze Klappe geöffnet, die so den Blick in einen salonartigen Raum zulässt: darin zwei Männer und eine Frau und ein filmender Kameramann: man hätte es sich ja denken können ... Da tritt ein junger Mann heran und fragt, ob ich überrascht sei. Eher fühle ich mich ertappt. Er stellt sich als der Künstler des Objektes vor und spricht in theoriegeladenen Sätzen, wortschwallartig. Anschließend Treffen im Cafe mit der Kuratorenkollegin: „Wer war denn das?“ „Paetrick Schmidt aus Wismar, besonders vielversprechend!“ Ein halbes Jahr später, Mecklenburg ist im Schnee versunken, Recherche-Reise für eine Ausstellung norddeutscher Künstler in der Stadtgalerie Kiel, Verabredung mit Paetrick Schmidt in seinem Wismarer Atelier. Plattenbau, reserviert für Gäste der Wismarer Fachhochschule. Der Designstudium-Absolvent empfängt mich maskiert und mit angelegtem Gewehr, aus dessen Mündung ein Bündel Rosen herabhängt, das Ganze laubgesägt. In Regalen aufgereiht die Cardboards, auch das aus Schwerin. Dann auf den Monitor geschaut, dieser von exorbitanter Größe. Schmidt hält einen Vortrag zur Werkübersicht, alles komplett abrufbar. Ich bilde mir ein, dass durch die geöffnete Balkontür die ganze Welt mit sämtlichen Problemen herein zu spazieren scheint; sich verdichtend im Monitor, dehnt sie sich aus, zerplatzt und findet Raum im Kopf des Künstlers, der sie mit assoziationskettenreichen Sätzen aus seinem Mund entlässt. Also gar keine Frage, die Teilnahme an der Kieler Ausstellung ist gesichert, für den Sommer dieses Jahres. Wir haben ihm ein gesondertes Kabinett zugewiesen, damit, siehe oben, seine Welt beisammen bleiben kann: Zeichnungen, Aquarelle, Cardboards. Und der Gewehrlauf mit den Rosen, laubgesägt. Die Besucher drängten sich. Ein Cardboard, Inhalt: „RAIN FOREST ROLLER“. Eine schöne Geschenkpackung, groß und einsehbar, wie die für die Barbie-Puppen. Darin ein Spielzeug, ein Fahrzeug. Maßstab ca. 1 zu 50. Eine „Dampfwalze" gleich denen von der Autobahnbaustelle. Doch die Walze ist nicht ölig-schwarz, sondern mit plattgewalztem Regenwald bezogen. Wenn die sich also an die Arbeit machte, wäre er zurück, gleichsam aufgebügelt, in Fahrtgeschwindigkeit. Schmidt ist Geschichtenerzähler, der seine Bildfindungen plakativ und manchmal auf den ersten Blick auch aggressiv einsetzt. Dennoch drehen und wenden sich diese Geschichten, oft ziemlich goyaesk - grausam daherkommend, selbsttätig hin zu oft anrührend romantisch-liebevollen Erzählungen. Seine Motive können Landschaftsdarstellungen entsprechen, die sich klischeebildend eingeprägt haben. Darin lässt der Künstler ein holzschnittartig ausgeschnittenes Personal agieren, das gleichzeitig dem Draußen und dem unendlichen fiktiven Spektrum des Internets entnommen zu sein scheint. Glück und Pech, Liebe und Gewalt, Licht und Dunkel, Geschichte und Gegenwart bestimmen seine Themenwahl. Durchdekliniert hat er das schon mal im MoMA, NewYork und natürlich im Internet, um es zu wahnwitzigen Bildgeschichten zu verweben, die ihren Ausgangspunkt stets bei den Künsten finden, so der Malerei. Sein Personal kann sich da schon von den in Grün erstarrten RÖHM-ZWILLINGEN (sind die zwei Ich's vom Nazi-Röhm gemeint?!) bis hin zum EastVillage Underground-Countertenor Klaus Nomi verwirbeln. Deren Auftritt erfolgt im Schmidt-Theater. Glückwunsch zur Auszeichnung in Schwerin, lieber Paetrick Schmidt!